Frankfurt am Main (ots) –
Einmal mehr dominiert das Nachrichtengeschehen die TV-Nutzung: Der Nutzungsanteil von Informationsprogrammen liegt 2022 erneut bei 36,0 Prozent (2021: 36,0 Prozent, 2020: 35,7%). Getrieben wird das Interesse an Nachrichten, Magazinen, Reportagen & Dokumentationen, Talkshows und Wetter von der anhaltend angespannten Nachrichtenlage. Nach zwei Jahren, in denen Corona das Geschehen bestimmt hat, dominieren 2022 der Ukraine-Krieg, die damit einhergehende Energie- und Wirtschaftskrise sowie die steigende Inflation die News. „Die Bedeutung von Information im Fernsehen bleibt hoch. Wer einschaltet, der sucht vermehrt nach Nachrichten“, sagt Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der Geschäftsführung der AGF Videoforschung. Information liegt damit erneut vor fiktionalen Programmen (35,1 Prozent, 2021: 35,5 Prozent) und Factual Entertainment (12,3 Prozent, 2021: 11,5 Prozent).
Das zeigt sich auch in den Jahresmarktanteilen der Nachrichtensender, insbesondere in der jüngeren Zielgruppe: So konnten sich Welt und N-TV bei den 14- bis 49-Jährigen im Vorjahresvergleich jeweils von 1,2 auf 1,3 Prozent steigern. In der Kalenderwoche 8, in die der Angriff der russischen Truppen am 24.02.2022 fällt, stieg der Marktanteil von Welt in der Zielgruppe auf 2,5 Prozent, von N-TV sogar auf 3,1 Prozent. Auch die Marktanteile von Nachrichtensendungen wie „Tagesschau“ im Ersten, „heute“ im ZDF und „RTL Aktuell“ auf RTL lagen beim Gesamtpublikum ab drei Jahren 2022 über dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019, wenn auch zum Teil unter 2021 und bei geringeren Sehbeteiligungen.
Insgesamt ist die TV-Nutzung bei Zuschauern gesamt im vergangenen Jahr auf 195 Minuten gesunken (2021: 213 Minuten), bei den 14- bis 49-Jährigen auf 101 Minuten (2021: 121 Minuten). „Während der Corona-Jahre 2020 und 2021 haben wir erhebliche Sondereffekte beobachtet: Nahezu jeder war von den Maßnahmen betroffen und hat sich tagesaktuell darüber informiert. Während der Lockdowns gehörte Fernsehen zu den wenigen noch möglichen Freizeitaktivitäten. Dies hat sich in einer außergewöhnlich hohen TV-Nutzung widergespiegelt. Wir sehen nun eine Normalisierung im langfristigen Trend“, erklärt Kerstin Niederauer-Kopf. Das außergewöhnlich warme Wetter und die fehlenden Corona-Beschränkungen scheinen 2022 dazu geführt zu haben, dass die Menschen vermehrt aushäusige Freizeitaktivitäten wahrgenommen und entsprechend weniger TV gesehen haben. „Es scheint zu den von uns erwarteten Nachholeffekten gekommen zu sein“, so Niederauer-Kopf.
Streaming-Nutzung steigt
Dafür spricht auch, dass die Streaming-Nutzung zwar erneut gestiegen ist, aber nicht in einem Maße, das die Rückgänge im TV kompensiert. Bei den unter AGF-Messung befindlichen Angeboten von Broadcastern liegt die Sehdauer 2022 bei Zuschauern gesamt bei etwas über 4 Minuten – ein Plus von 9,5 Prozent zum Vorjahr. Bei den 14- bis 49-Jährigen sind es knapp 5 Minuten (+4,9 Prozent).
Hinzu kommt die Nutzung von großen Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon und Co., die die AGF passiv mit Routern misst. Hier lag die Sehdauer an Smart-TV-Geräten bei den Erwachsenen ab 14 Jahren im Dezember 2022 bei 22 Minuten, bei den 14- bis 49-Jährigen bei 32 Minuten.
Fußball-WM-Boykott dämpft Interesse / Spiele erfolgreich im Livestream
Die starken Effekte, die Sportgroßereignisse wie Olympische Spiele und Fußball-Welt- oder Europameisterschaften für gewöhnlich auslösen, sind 2022 ausgeblieben. Zwar gab es mit der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft in Katar eigentlich einen Straßenfeger im Programm. „Durch die Diskussionen über die Menschenrechtsverletzungen, die Vergabemodalitäten und die folgenden Aufforderungen zum Boykott sowie eine Verschiebung des Turniers aus dem Sommer in die dunkle Jahreszeit, ist das WM-Feeling jedoch in großen Teilen ausgeblieben“, so Niederauer-Kopf.
Auch wenn die Spiele der Männer-WM geringeren Zuspruch erfahren haben, als bei vergleichbaren früheren Turnieren, so verzeichneten insbesondere Spiele mit deutscher Beteiligung sowie das Halbfinale und Finale eine hohe Livestream-Nutzung: Bei der Partie Deutschland – Japan, die am 23.11.2022 ab 14 Uhr im Ersten ausgestrahlt wurde, kamen über den Livestream zu TV noch 12,5 Prozent beziehungsweise 1,159 Millionen Zuschauer hinzu, so dass die Sehbeteiligung für TV und Streaming insgesamt bei 10,419 Millionen lag. Auch beim Finale Argentinien – Frankreich am Sonntag, 18.12.2022, um 16 Uhr im Ersten schauten 0,839 Mio. im Livestream zu, was zu einer Sehbeteiligung von insgesamt 14,723 Millionen führte.
Insgesamt haben 60,466 Millionen Zuschauer mindestens einmal für mindestens 60 Sekunden in ein WM-Spiel im TV oder im Livestream hineingesehen. Bei der UEFA Fußball-Europameisterschaft der Frauen im Sommer waren es 49,301 Millionen. Von diesem Turnier wurden jedoch auch deutlich weniger Spiele im Fernsehen übertragen als von der FIFA-Weltmeisterschaft der Männer.
Fußball-Frauen begeistern (mehr als die Männer)
Die übertragenen Frauen-EM-Spiele, insbesondere das Halbfinale und Finale, konnten sich hingegen über vergleichsweise hohe Sehbeteiligungen freuen. „Die Begeisterung für Frauen-Fußball ist spürbar angestiegen“, sagt Niederauer-Kopf. Das Endspiel England gegen Deutschland am 31.07.2022 ab 18 Uhr im Ersten ist mit einer Sehbeteiligung von 17,952 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 64,5 Prozent im Gesamtpublikum sogar die stärkste TV-Sendung des Jahres.
Die Männer haben es im WM-Spiel gegen Costa-Rica (Das Erste) dagegen mit 17,495 Millionen und 53,1 Prozent nur auf Platz 2 geschafft. Es folgen die Männer-WM-Partie Spanien gegen Deutschland (ZDF), der Münster-Tatort „Des Teufels langer Atem“ (Das Erste) und das Fußball-WM-Endspiel Argentinien gegen Frankreich (Das Erste).
Top 5 TV-Formate 2022: Zuschauer gesamt (Mo-So, 3-3 Uhr) | Durchschnittliche Sehbeteiligung | Marktanteil | Mindestsendungslänge 10 Minuten
1. „Fußball-EM Frauen: England – Deutschland“ (Das Erste, 31.07.2022): 17,952 Mio. | 64,5%
2. „Fußball-WM 2022: Costa Rica – Deutschland“ (Das Erste, 01.12.2022): 17,495 Mio. | 53,1%
3. „Sportstudio Live – FIFA WM 2022: Spanien – Deutschland“ (ZDF, 27.11.2022): 17,064 Mio. | 48,6%
4. „Tatort: Des Teufels langer Atem“ (Das Erste, 16.01.2022): 14,569 Mio. | 41,1%
5. „Fußball-WM 2022: Argentinien – Frankreich“ (Das Erste, 18.12.2022): 13,884 Mio. | 53,3%
Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK; VIDEOSCOPE 1.4, 01.01.2022-31.12.2022, Marktstandard: TV, vom 04.01.2023
Bei den 14- bis 49-Jährigen hingegen rangiert das WM-Spiel Spanien gegen Deutschland mit einer Sehbeteiligung von 5,955 Millionen auf Platz 1 (Marktanteil: 57,7 Prozent), gefolgt von Costa Rica gegen Deutschland. Das Frauen-EM-Finale kommt an dritter Stelle, mit einer Sehbeteiligung von 5,400 Millionen und einem Marktanteil von 70,7 Prozent.
Top 5 TV-Formate 2022: 14-49 Jahre (Mo-So, 3-3 Uhr) | Durchschnittliche Sehbeteiligung | Marktanteil | Mindestsendungslänge 10 Minuten
1. „Sportstudio Live – FIFA WM 2022: Spanien – Deutschland“ (ZDF, 27.11.2022): 5,955 Mio. | 57,7%
2. „Fußball-WM 2022: Costa Rica – Deutschland“ (Das Erste, 01.12.2022): 5,852 Mio. | 63,1%
3. „Fußball-EM Frauen: England – Deutschland“ (Das Erste, 31.07.2022): 5,400 Mio. | 70,7%
4. „Sportstudio Live – FIFA WM 2022: Moderation“ (ZDF, 27.11.2022): 4,494 Mio. | 49,5%
5. „Fußball-WM 2022: Argentinien – Frankreich“ (Das Erste, 18.12.2022): 4,059 Mio. | 59,1 %
Quelle: AGF Videoforschung in Zusammenarbeit mit GfK; VIDEOSCOPE 1.4, 01.01.2022-31.12.2022, Marktstandard: TV, vom 04.01.2023
Grundsätzlich werden die Hitlisten 2022 dominiert von Krimireihen wie Tatort, Nachrichtensendungen und Fußball – seien es die WM, EM oder auch die Europa League, in der Eintracht Frankfurt überraschend den Pokal holte. Das Finale gegen die Glasgow Rangers inklusive Verlängerung und Elfmeterschießen auf RTL sahen insgesamt 9,047 Millionen Zuschauer gesamt (Marktanteil: 38,9 Prozent) beziehungsweise 3,309 Millionen zwischen 14 und 49 Jahren (Markanteil: 50,3 Prozent).
Die erfolgreichste Show war wie schon im Vorjahr die Wiederauflage von „Wetten, dass …?“ (ZDF) am 19.11.2022, die nach dem erfolgreichen Restart 2021 in diesem Jahr bei Zuschauern gesamt auf eine Sehbeteiligung von 10,442 Millionen und einen Marktanteil von 39,6 Prozent kam. Bei den 14- bis 49-Jährigen waren es 2,808 Millionen (44,5 Prozent). Bei den 14- bis 49-Jährigen ist mit dem „Eurovision Song Contest 2022“ im Ersten eine weitere Show in der Top 20 vertreten, mit einer Sehbeteiligung von 2,743 Millionen (Marktanteil: 47,6 Prozent).
Farewell to the Queen
Ein besonders bewegender Moment war 2022 der Tod von Queen Elizabeth II am 8. September – auch im TV. In einer Vielzahl von Sondersendungen haben die Zuschauer Abschied von der Königin genommen, die die meisten ihr ganzes Leben lang begleitet hat. Die Berichterstattung rund um die Beerdigung am 19. September verfolgten via TV und Livestream insgesamt 34,486 Millionen Menschen. Die Abschiedszeremonie, die mehrere Stunden dauerte und in der der Sarg mit der toten Monarchin von Westminster Hall bis nach Windsor verbracht wurde, wurde von zahlreichen öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sendern übertragen.
In den zwei Wochen nach dem Tod der Queen haben insgesamt 50,306 Millionen Zuschauer mindestens einmal eine Sendung im TV oder im Livestream verfolgt, die sich mit der Königin und ihrem Leben beschäftigt hat.
Die Grundgesamtheit für den Marktstandard TV in den Auswertungssystemen der AGF ist die Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ab 3 Jahren in Privathaushalten mit mindestens einem Fernsehgerät in Gebrauch und einem deutschsprachigen Haupteinkommensbezieher. Im Marktstandard Bewegtbild erweitert sich die Grundgesamtheit noch um all diejenigen Haushalte, die nur ein internetfähiges Device im Haushalt besitzen, um Bewegtbild nutzen zu können. Mehr zur Methodik und Messtechnik der AGF auf agf.de.
Über die AGF Videoforschung GmbH (www.agf.de)
Die AGF Videoforschung GmbH ist ein Unternehmen für neutrale Bewegtbildforschung. Die AGF erfasst kontinuierlich und quantitativ die Nutzung von Bewegtbildinhalten in Deutschland und wertet die erhobenen Daten aus. Sie entwickelt ihr Instrumentarium mit einem mehrstelligen jährlichen Millionenbetrag kontinuierlich weiter, um dem Markt täglich verlässliche Daten über die Nutzung von Bewegtbildinhalten zu liefern. Dabei steht die AGF im engen Austausch mit allen Marktpartnern, darunter Lizenzsender, Werbungtreibende und Mediaagenturen.
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